Die Aufsichts- und SorgfaltspflichtWährend der Schulzeit ist die Schule und damit die Lehrperson für die ihr anvertrauten Schülerinnen und Schüler verantwortlich. Sie hat für diese Zeit eine umfassende Aufsichts- und Sorgfaltspflicht und muss alles Zumutbare vorkehren, um das Leben und die Gesundheit der ihr anvertrauten Lernenden zu schützen. Aber was bedeutet „während der Schulzeit“? Örtlich gesehen ist Schule immer dann, wenn sich die Lernenden auf dem Schulareal befinden. Ausserhalb des Schulareals ist die Schule für die Lernenden grundsätzlich nicht verantwortlich. Für den Schulweg sind die Erziehungsberechtigten zuständig. Auch zeitlich wird der Verantwortungsbereich der Schule beschränkt. Er beginnt rund eine Viertelstunde vor Schulbeginn und endet etwa eine Viertelstunde nach Schulschluss. Der Schulbetrieb schliesst auch Unterricht ausserhalb des Schulareals z. B. Schwimmbad, Museumsbesuche, Wanderungen, Klassenlager, Skitage usw. mit ein. Die Verantwortung der Schule dauert hier von der Besammlung der Teilnehmenden bis zur offiziellen Entlassung, sowohl tagsüber wie auch nachts (Lager). Rechtlich gesehen ist die Schule eine Anstalt. Typisch für Anstalten ist ihre hoheitliche Struktur. In Anstalten hat der Inhaber der Anstaltsgewalt (Schulleitung, Lehrperson) gegenüber dem Benutzenden (Schülerinnen und Schüler) eine erhöhte Weisungsgewalt. Es können Anordnungen getroffen werden, welche von den Schülerinnen und Schülern befolgt werden müssen. Welches Mass an Aufsichts- und Sorgfaltspflichten eine Lehrperson aufwenden muss, kann nicht allgemeingültig definiert werden. Der Inhalt der Pflichten kann je nach konkreter Situation ändern. Ein erhöhtes Gefahrenpotential bergen bestimmte Fächer und Veranstaltungen wie Schulreisen, Sporttage oder Lager, wodurch sich auch das Mass der durch die Lehrperson aufzubringenden Sorgfalt erhöht. Die Lehrperson muss auf das Alter und die Einsichtsfähigkeit der Lernenden Rücksicht nehmen. Es gehört zu den Aufgaben der Lehrperson, das Gefahrenpotential sorgfältig abzuschätzen, zu bewerten und daraus die richtigen Schlüsse zu ziehen. Die Lehrperson muss im Einzelfall alle notwendigen und ihr zumutbaren Vorsichtsmassnahmen treffen, um die Sicherheit ihrer Schülerinnen und Schüler gewährleisten zu können. Sie muss nicht jede erdenkliche und mit geringster Wahrscheinlichkeit eintretende Gefahr absichern, aber immer solche, die nach der allgemeinen Lebenserfahrung in einer bestimmten Situation auftreten können. Ob eine Verletzung der Sorgfaltspflicht vorliegt, wird bei Unfällen von den Gerichten etwa anhand folgender Fragestellungen bestimmt: 1. War die Gefahr voraussehbar? 2. Hätte der Unfall verhindert werden können? 3. Wie und mit welchen Massnahmen hätte der Unfall verhindert werden können? 4. War es der Lehrperson zumutbar, diese Massnahmen zu ergreifen? Wenn die Sorgfaltspflicht verletzt wirdEs ergeben sich drei Möglichkeiten, nach denen eine Lehrperson zur Verantwortung gezogen werden kann: - Vermögensrechtlich
Bei der vermögensrechtlichen Haftung geht es um die Bezahlung von Schadenersatz. Es kommen grundsätzlich die kantonalen Regelungen zur Anwendung und nicht das Obligationenrecht. Nach Art. 22 LAG in Verbindung mit Art. 100 ff. PG haften der Kanton oder andere Trägerschaften von Schulen im Rahmen der Staatshaftung für den Schaden, den Lehrpersonen in Ausübung ihrer amtlichen Tätigkeit Dritten widerrechtlich zugefügt haben. Zwischen der Sorgfaltspflichtverletzung der Lehrperson und dem Schaden muss ein adäquater Kausalzusammenhang bestehen. Ein Verschulden wird dagegen nicht vorausgesetzt (Kausalhaftung). Gegenüber Lehrpersonen direkt können geschädigte Dritte keinen Anspruch geltend machen. Wird das Gemeinwesen haftpflichtig, kann es im Innenverhältnis auf die Lehrperson Rückgriff nehmen, wenn diese den Schaden vorsätzlich oder grobfahrlässig verursacht hat. - Strafrechtlich
Verstösst eine Lehrperson durch ihr Verhalten gegen Bestimmungen des Schweizerischen Strafrechts, so kann sie vom Staat zur Verantwortung gezogen werden. Bei der strafrechtlichen Verantwortlichkeit kann sich das Gemeinwesen nicht schützend vor eine Lehrperson stellen. - Personalrechtlich
Neben der vermögensrechtlichen und der strafrechtlichen Verantwortlichkeit gibt es bei Lehrpersonen grundsätzlich noch die Möglichkeit der Anordnung von Administrativ- und Disziplinarmassnahmen. Zu den administrativen Massnahmen gehört z.B. die ordentliche Entlassung. Zu den disziplinarischen Massnahmen gehört z.B. der Verweis (vgl. hierzu Ausführungen zum Verweis).Die Rolle der SchulleitungFür Ausflüge, Exkursionen und Lager sind die zuständigen Lehrpersonen verantwortlich. Sie sollten aber stets die Schulleitung informieren und eine entsprechende Bewilligung verlangen. So können sich die Lehrpersonen absichern. Zu den Aufgaben der Schulleitung gemäss Art. 89 LAV gehört es mitunter, Lehrpersonen über die anzuwendenden Aufsichts- und Sorgfaltspflichten zu orientieren. Es geht dabei um den Schutz der Persönlichkeit der Lehrperson und die Fürsorgepflicht. Daraus folgt im hier interessierenden Zusammenhang, dass Schulleitungen durch geeignete Massnahmen organisatorischer Art ganz generell dafür zu sorgen haben, dass Lehrpersonen sich nicht absehbaren rechtlichen Haftungsrisiken aussetzen. |